österreichische Philosophie

österreichische Philosophie
österreichische Philosophie,
 
Bezeichnung für die in den Ländern der Habsburger Donaumonarchie und der Republik Österreich betriebene Philosophie. Tendenziell vorherrschend war eine Strömung, die sich von der Philosophie in den übrigen deutschsprachigen Ländern durch ihre objektivistische (realistische), empiristische, wissenschaftliche und sprachkritische Ausrichtung ebenso unterscheidet wie durch ihre Gegnerschaft zur kantischen Philosophie sowie zur Philosophie des spekulativen Idealismus.
 
Eine eigenständige Entwicklung der Philosophie in Österreich konnte erst nach der Aufhebung des Jesuitenordens (1773), dem durch nahezu 200 Jahre die philosophische Ausbildung oblegen hatte, erfolgen. Aber der Wiener Hof überwachte bis zur Universitätsreform nach 1848 weiterhin den philosophischen Schulbetrieb und begünstigte ausschließlich die Gegner I. Kants, wodurch der Einfluss der Philosophie von G. W. Leibniz und später von J. F. Herbart gefördert wurde. Auch dem bedeutendsten österreichischen Philosophen der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts, B. Bolzano, waren Lehre und Publikation seiner Schriften verboten, weshalb seine Wirkung erst verspätet einsetzte. In seinem Schülerkreis tauchte dann erstmals der Begriff österreichische Philosophie auf. Die beiden Hauptrichtungen der österreichischen Philosophie sind: 1) der von E. Mach ausgehende Positivismus, dessen Höhepunkt im logischen Empirismus (Neopositivismus) des Wiener Kreises (M. Schlick, H. Hahn, Philipp Frank [* 1884, ✝ 1966], O. Neurath, E. Zilsel, V. Kraft, F. Waismann, H. Feigl, K. Gödel) erreicht wurde; wesentlichen Einfluss auf diesen übte auch L. Wittgenstein aus; 2) die deskriptive Psychologie F. Brentanos; seiner österreichischen Schule gehören v. a. A. Marty, C. von Ehrenfels, T. G. Masaryk, Oskar Kraus (* 1872, ✝ 1942) in Prag, A. Meinong, der Begründer der Grazer Schule der Gegenstandstheorie, Franz Hillebrand (* 1863, ✝ 1926), Alfred Kastil (* 1874, ✝ 1950) in Innsbruck und K. Twardowski, der Begründer der Lemberger Schule, an. In Wechselbeziehung mit der positivistischen Strömung standen philosophisch auch der Austromarxismus (V. und F. Adler, M. Adler, O. Bauer u. a.) sowie verschiedene materialistisch-atheistische Denker (F. Jodl, F. Mauthner). Weltweite Beachtung erfahren Begriff und Geschichte der österreichischen Philosophie erst in den letzten Jahrzehnten.
 
 
R. Haller: Studien zur ö. P. (Amsterdam 1979);
 
Austrian philosophy - Studies and texts, hg. v. J. C. Nyíri (München 1981);
 E. Kiss: Studien zur ö. P. (1995).

Universal-Lexikon. 2012.

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